StormUnity

Das Community Onlinemagazin zu kulturellen und gesellschaftlichen Themen – von Stormarnerinnen und Stormarner für Stormarnerinnen und Stormarner

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Rainald Manthe zeigte auf einem der Schaubilder seiner Power-Point-Präsentation, wie Community im Alltagsleben funktionieren kann.

Demokratie braucht Begegnung

Als Auftakt zur diesjährigen Ausschreibung des innovativen Kulturfonds des Stabsbereich Kultur des Kreises Stormarn zum Thema „Demokratie und Kultur“ hatte der Stabsbereich zu einem Vortrag des Berliner Soziologen Rainald Manthe mit anschließender Diskussionsrunde in den Kreissitzungssaal nach Bad Oldesloe eingeladen.

Cordula Eickmann

Unter dem Motto “Demokratie fehlt Begegnung – Über Alltagsorte des sozialen Zusammenhalts“ referierte Rainald Manthe sowohl über die aktuellen Krisen der Demokratie als auch über konkrete Beispiele aus unserem Alltagsleben. Viele Vertreter aus Institutionen und Vereinen waren gekommen, um sich über Möglichkeiten des sozialen Miteinanders und die immer größer werdenden Probleme, Menschen über Alltagskultur zusammen zu bringen, auszutauschen.

Die Anschläge auf das World Trade Center 2001, die Wirtschaftskrise 2008/09, die Flüchtlingsströme 2015, Fridays for Future 2019, die Corona-Pandemie 2020, der russische Angriffskrieg auf die Ukraine 2022, die bestehende Inflation und die steigenden Preise und die Wahl Donald Trumps vor wenigen Monaten: Wie wirken all diese tiefgreifenden Einschläge auf unser Leben und was bedeuten diese für das Fortbestehen unserer Demokratien?

Rainald Manthe bezeichnet zu Beginn seines Vortrages die aktuelle Situation in Europa und den USA als „Polycrisis“ der Demokratien. „Gibt es noch eine liberale Weltordnung? Haben die Menschen noch Vertrauen in unsere Demokratie und wenn ja, wie bringen sie sich in diese ein?“, fragt der Soziologe und Autor in seinem Vortrag. In einem Überblick zeigt Rainald Manthe die Veränderungen der letzten 20 Jahre auf, die laut einer aktuellen Umfrage dazu führen, dass Dreiviertel der Deutschen Zukunftsängste haben und befürchten, dass unsere Gesellschaft immer weiter auseinanderdriften wird. „Vertrauen entsteht durch die Begegnung face to face, die es aber immer weniger gibt. Durch Individualisierung, den Abbau öffentlicher Strukturen und die Entmischung von Wohnraumgebieten treffen wir kaum noch Menschen, die anders sind als wir“, gibt er zu Bedenken. Als Beispiel nennt Manthe den Abbau freier Schwimmbäder in Deutschland um 22 Prozent. „Kostengünstige Freibäder werden entweder geschlossen oder durch teure Spaß- und Erlebnisbäder ersetzt, die sich nur wenige leisten können. An den Stadträndern, wo die hohen Bildungsabschlüsse leben, schwimmt man im eigenen Pool“, so Manthe. Auch Einsparungen bei Volkshochschulen, Bibliotheken oder die Pflege von öffentlichen Parks, die laut Manthe wichtige und zentrale Orte der Begegnung sind, führt der Soziologe als Gründe dafür an, dass unsere Gesellschaft immer mehr auseinanderdriftet und es weder Vermischung noch notwenige Kommunikation gibt. So würde die Spanne zwischen arm und reich stetig größer werden, politische extreme Parteien wie die AfD gewinnen immer mehr an Zuwachs und ein Austausch über verschiedene Meinung und Ansichten findet kaum noch statt.

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Rabea Breiner, Rainald Manthe, Verena Lemm und Tim Knackstedt diskutierten mit einem engagierten Publikum.

„Es braucht multifunktionale Orte, die gerne auch schön sein können, sowie mehr Kooperationen zwischen Staat, Wirtschaft und Zivilgesellschaft, um diesem Prozess der Entfremdung und dem Verlust demokratischer Strukturen entgegen zu wirken“, resümiert Rainald Manthe am Ende seines hochinteressanten Vortrages, den das Publikum gespannt verfolgte.

In der anschließenden Diskussionsrunde, die Rabea Breiner vom Stabsbereich Kultur des Kreises Stormarn moderierte, gab es ganz unterschiedliche Einschätzungen und Erfahrungswerte der Beteiligten. Verena Lemm, Geschäftsführerin des Kreissportverbandes Stormarn, konnte zur aktuellen Lage der Sportvereine nur Positives berichten. So seien die Mitgliederzahlen in ganz Schleswig-Holstein nicht nur konstant im Vergleich zu den Vorjahren, sondern würden noch ansteigen. „Sport ist eigentlich Demokratie. Die Mitglieder wählen den Vorstand, sie entscheiden, was passiert. Wir nehmen von Beginn an Jugendliche mit, die so lernen, Entscheidungen zu treffen. Wir leben Integration und grenzen niemanden aus. Sport ist ein niederschwelliger Ort für Demokratie“, berichtet sie. Dies zeigt auch das neueste Projekt des Kreissportverbandes Stormarn „Sport im Park“, bei dem Menschen zum Beispiel im Kurpark in Bad Oldesloe gemeinsam und kostenlos Sport treiben können, ohne Mitglied in einem Verein sein zu müssen. Dabei sind es vor allem ehrenamtlich aktive Mitbürger, die diesen vielen tollen Angebote möglich machen.

Von großen Problemen, kulturelle Angebote für Familien und Jugendliche anbieten zu können, sprechen zwei Frauen, die im Süden Stormarns in Familienbildungsstätten arbeiten. „Viele Ideen scheitern daran, dass die Kommunen kein Geld haben und es keine Räumlichkeiten gibt, um Treffpunkte für Eltern oder junge Menschen, egal welcher Kultur, zu realisieren“, so die Teilnehmerinnen. Auch die Problematik, ob Menschen überhaupt bereit sind, miteinander in Kontakt zu treten wurde, aufgeworfen ebenso wie die Feststellung, dass oft erst die eigene Betroffenheit dazu führe, mit anderen Menschen aktiv zu werden.

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Oftmals braucht es nur eine schöne Umgebung und ein paar Sitzgelegenheiten, um miteinander ins Gespräch zu kommen.

Tim Knackstedt, Leiter des Kultur- und Bildungszentrum Bad Oldesloe, spricht für das KuB hingegen von einem vielseitigen Angebot der Einrichtung, das von vielen Menschen genutzt wird, so das kostenfreie Kindertheater oder das vor zwei Jahren erstmals ins Leben gerufene Erzählfestival unter Beteiligung vieler Vereine. Und dass es manchmal gar nicht viel braucht, um Orte der Begegnung und des kulturellen Miteinanders zu schaffen, zeigt das von einer Diskussionsteilnehmerin eingebrachte Beispiel, wie in einer Stadt in Süddeutschland die um einen Brunnen herum bestehenden Parkplätze abgeschafft wurden, um Bänke und Stühle aufzustellen. „Nun sitzen die Menschen dort an diesem schönen Platz zusammen und können miteinander reden und sich austauschen“, ergänzt sie und schafft damit ein Bild, das die Vision des Abends auf einfache und wirkungsvolle Weise verdeutlicht.

Demokratie braucht Kultur und Begegnung. Neben den Lebensbereichen der Arbeits- und Wohnwelten sind es vor allem die Freizeitangebote, die eine Vermischung der Gesellschaft, ein Bestehen und Wachsen von Toleranz und Miteinander möglich machen und damit der Gefahr, unsere demokratischen Strukturen zu verlieren, Einhalt gebieten können. Diesen Ansatz verfolgt die diesjährige Ausschreibung des Kulturfonds des Kreises Stormarn. Wie können Begegnungsorte geschaffen, wie gemeinschaftliche Aktionen und Teilhabe umgesetzt werden in einer Zeit, die unsere Gesellschaft vor große Herausforderungen stellt? Wer sich für den bis zu 10.000 Euro dotierten Kulturfond bewerben und einen innovativen und zukunftsorientierten Beitrag für eine offene und demokratische Gemeinschaft einbringen möchte, kann sich bis zum 8. Juni 2025 unter www.kultur-stormarn/kulturfoerderung/kulturfonds bewerben.

Das Buch „Demokratie fehlt Begegnung – Über Alltagsorte des sozialen Zusammenhalts“ von Rainald Manthe ist 2024 beim transcript Verlag unter der ISBN-Nr. 978-3-8376-7141-4 erschienen.

Im Online-Magazin StormUnity sind zwei Artikel über das Projekt „Fashion Think Tank“ zu lesen, das im vorigen Jahr den Kulturfond mit dem Fokus „Nachhaltigkeit“ erhalten hat: „Nachhaltige Mode vom Fashion Think Tank“ sowie „Gelungene Ausstellung des Fashion Think Tank zu Nachhaltigkeit in der Mode“.

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