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Das Community Onlinemagazin zu kulturellen und gesellschaftlichen Themen – von Stormarnerinnen und Stormarner für Stormarnerinnen und Stormarner

Zara Farbe
„Limbus“ Autorin Zara Zerbe

Wo Literatur zu den Menschen kommt

Sich zurücklehnen, Literatur lauschen und Neues entdecken – darum geht es bei der Lesereise Schleswig-Holstein, die noch bis zum 21. Oktober quer durchs Land zieht. Auch in Stormarn gibt es einige merkenswerte Termine. Die Veranstaltungen werden gefördert im Rahmen des Programms „Neustart Literatur“ des Deutschen Literaturfonds.

Text: Melissa Jahn; Foto: Zara Zerbe

Lesereise Schleswig-Holstein im Kreis Stormarn mit fünf Veranstaltungsorten dabei.

„Das Schreiben passiert so nebenbei“, sagt die Kielerin Zara Zerbe, die schon in jungen Jahren zum Schreiben gekommen ist – eigentlich, sobald sie einen Stift halten konnte. „Geschichten zu verfassen fand ich schon in der Grundschule cool. Dazu passte meine bedenklich blühende Fantasie, mit der ich mir immer Sachen ausgedacht habe.“ Seit ihrer Studienzeit – Zara Zerbe studierte Literatur und Medien – fungiert die 32-Jährige als Mitherausgeberin des Literaturmagazins „Der Schnipsel“. Von diesem Zeitpunkt an habe sie Literatur ernsthafter betrieben und auch eigene Texte für die Lesebühne FederKiel verfasst. Fragmente ihrer gesammelten Werke baute sie schließlich zu einem neuen Text zusammen – und gewann mit der Erzählung „Limbus“ schließlich den vom Literaturhaus Schleswig-Holstein ausgeschriebenen Preis „Neue Prosa 2018/2019“.

Es ist nur ein kleines Heft, doch ein großes Ding für mich“, so Zerbe. „Vor allem, weil es beim Berliner Sukultur Verlag erschienen ist, dessen Bücher ich regelmäßig lese.“ In der Erzählung geht es nur vordergründig um eine Bahnfahrt, eine Katastrophengrundkonstante, wo unweigerlich einiges passiert. Und ein Gedankenexperiment zum Thema Aberglaube. „Viele Menschen suchen nach einem Grund, um sich das Geschehen zu erklären“, sagt Zerbe. „Ich jedoch betrachte alles literarisch.“ In der Stadtbibliothek Bad Oldesloe liest Zara Zerbe am Donnerstag, 16. September, 19 Uhr, neben „Limbus“ auch aus anderen Kurztexten.
Veranstaltungsort: Stadtbibliothek Bad Oldesloe, Königstraße 32, 23843 Bad Oldesloe

Weitere Termine

Am Freitag, den 10. September, liest Matthias Stührwoldt ab 19 Uhr in der Gemeindebücherei Großhansdorf aus seinem neuesten Buch „Groot un stark“, erschienen im März 2021. Der fünffache Vater und Bio-Landwirt bewirtschaftet einen 85 Hektar großen Milchvieh- und Futterbaubetrieb mit etwa 50 Milchkühen und schreibt seit Mitte der Neunzigerjahre Geschichten und Gedichte übers Landleben, teils auf Hochdeutsch, teils auf Platt. Inspiration findet der 53-Jährige,  der ebenso als Autor und Sprecher der NDR-Hörfunk-Reihe „Hör mal`n beten to“ bekannt ist, beim Melken – ein Grund, warum er nach jeder Lesereise morgens wieder auf dem Hof sein muss.
Veranstaltungsort: Gemeindebücherei Großhansdorf, Sieker Landstraße 203b, 22927 Großhansdorf

Poetry Slam vom Feinsten kommt am 16. September um 19.30 Uhr, in die Stadtbücherei Glinde. Björn Högsdal, 1975 in Köln geboren, schreibt Punchline-Prosa, kabarettistische Lyrik und Satiren. Bei seinen bis zu 200 Auftritten im Jahr berichtet Högsdal über die Absurdität des Alltäglichen ebenso  wie die Alltäglichkeit des Absurden – hin und wieder auch mit Schockeffekt. Der Preisträger verschiedener Literaturwettbewerbe tritt ebenfalls regelmäßig in Radio- und TV-Sendungen auf und gibt seine Worte auch in Satire-Zeitschriften, Anthologien und Literaturzeitschriften zum Besten.
Veranstaltungsort:  Stadtbücherei Glinde, Markt 2, 21509 Glinde

Der freie Schriftsteller und Künstler Arne Rautenberg liest am Freitag, 17. September, 19 Uhr, in der Volkshochschule Großhansdorf. Rautenberg wurde 1967 in Kiel geboren und veröffentlicht vor allem Gedichte, die neben Einzelveröffentlichungen auch in Zeitungen und Zeitschriften (Frankfurter Allgemeine Zeitung, DIE ZEIT, Akzente) erschienen sind. Zudem wurden viele seiner Gedichte in Schulbücher aufgenommen. Für sein Engagement erhielt Rautenberg unter anderem 2016 den Josef- Guggenmos-Preis, den ersten Preis für Kinderlyrik, der je in Deutschland vergeben wurde, und 2020 den Kulturpreis der Stadt Kiel. Rautenberg arbeitet ebenfalls im bildkünstlerischen Bereich und erstellt Collagen, visueller Poesie und großflächige Schriftinstallationen, die in mehreren Ausstellungen im In- und Ausland gezeigt wurden.
Veranstaltungsort: Volkshochschule Großhansdorf, Sieker Landstr. 203b, 22927 Großhansdorf

Schon lange und erfolgreich im Geschäft ist die freie Autorin Sina Beerwald, die am Samstag, 25. September, ab 19 Uhr ins Kultur- und Bildungszentrum (KuB) nach Bad Oldesloe kommt. Sie hat sich bislang mit 16 erfolgreichen Romanen, darunter historische Romane und Sylt-Erlebnisführer, einen Namen gemacht, ist Preisträgerin des NordMordAward und des Samiel Award. Mit „Die Strandvilla“ war Beerwald 2020 auf der Shortlist beim LovelyBooks Leserpreis vertreten. Und auch ihr neuestes Buch „Das Dünencafé“ spielt wieder auf Sylt. Dies ist kein Zufall: 2008 wanderte die 44-Jährige mit zwei Koffern und vielen Ideen im Gepäck auf die beliebte Nordseeinsel aus.
Veranstaltungsort: Kultur- und Bildungszentrum (KUB), Beer-Yaacov-Weg 1, 23843 Bad Oldesloe

Am Freitag, 1. Oktober, 19 Uhr, liest Krimiautorin und Journalistin Anja Marschall im Waldreitersaal. Seit 2012 veröffentlichte sie Krimis und Romane, von lustig bis historisch, kriminell bis hinterlistig, aber auch Übersetzungen vergessener britischer Krimiautorinnen des 19. Jahrhunderts. Vor ihrer schriftstellerischen Tätigkeit arbeitete sie als Erzieherin, Pressereferentin, Lokaljournalistin, EU-Projektleiterin in der Sozialforschung sowie Apfelpflückerin in Israel, Zimmermädchen in einem Londoner Luxushotel, Kioskverkäuferin an den Hamburger Landungsbrücken und Verlegerin.
Veranstaltungsort: Waldreitersaal Großhansdorf, Barkholt 64, 22927 Großhansdorf

Der in 1967 in Bonn geborene Journalist und Autor Henrik Siebold alias Daniel Bielenstein tritt am Mittwoch, 13. Oktober, 19 Uhr, in der Volkshochschule Glinde auf. Im Mittelpunkt seiner Kriminalromane steht der japanische Inspektor Kenjiro Takeda, der im Rahmen eines Austauschprogramms in der Hamburger Mordkommission ermittelt. Im fünften Band der erfolgreichen Serie bekommen es Inspektor Takeda und seine deutsche Kollegin Claudia Harms mit einem Feuer in einer Seniorenresidenz zu tun, bei dem mehrere Bewohner ums Leben kommen. Alles deutet auf Brandstiftung hin, doch dann stoßen Takeda und Harms auf ein deutsch-japanisches Joint Venture, das einen neuartigen Pflegeroboter erprobt. Doch kann ein Roboter einen Mord begehen?
Veranstaltungsort: Volkshochschule Glinde, Möllner Landstraße 53, 21509 Glinde

Weitere Informationen finden Sie auf der Webseite Lesereise.

Ein Auszug aus „Limbus“

Wenn kleine Sünden also immer sofort bestraft werden, was habe ich getan, dass ich nun für immer in der Regionalbahn gefangen bin? In den unruhigen Gesichtern meiner Mitreisenden kann ich das Ende der Welt erahnen: Die letzten Menschen sind gefangen in einem kleinen Zug mit zwei Waggons und einer einzigen Toilette, deren riesige Schiebetür unangenehm an die Zauberkugel aus der Miniplaybackshow erinnert. Alle, die nicht zufällig in diesem Zug saßen, haben sich draußen im Regen einfach aufgelöst. Sie waren nämlich entgegen aller landläufiger Behauptungen doch aus Zucker.

Ein besserer Mensch zu werden, ohne Umschweife und ohne Kompromisse, wäre wohl das Einzige, das solche Szenarien abwenden könnte, aber ich fürchte, das ist mir einfach zu anstrengend. Eher glaube ich, dass ich mich mit dem Schmutz auf meinem Gewissen anfreunden muss, damit ich nicht irgendwann in den Spiegel gucke und den Anblick darin wirklich nicht mehr ertrage. Einer dieser inneren Kaffeeflecken zeugt davon, dass ich mich zwar, wie jeder andere Mensch auch, nach Anerkennung und Liebe sehne, aber die Menschen, die ich dafür brauche, zwangsläufig auf meinen Nerven herumtrampeln, und dann muss ich zurücktrampeln, ob ich will oder nicht. Das führt dann zu so etwas wie dieser Episode mit Alexander, mit dem ich ein paar schöne Tage und Nächte hatte, bis er sagte: „Frauen sollten nicht Pfeife rauchen. Das ist doch eklig.“ Also schickte ich ihn in die Wüste und kaufte mir eine Pfeife. Sehr bald stellte ich fest, dass Pfeife rauchen nicht mein Fall war, musste es aber dennoch weiter durchziehen, um mein Gesicht zu wahren, als Alexander plötzlich mit meiner Mitbewohnerin anbandelte. Mittlerweile haben die beiden eine Doppelhaushälfte am Stadtrand bezogen und erwarten ein Kind. Sie sind angekommen, sagen sie. Das würde ich auch gern, nur kann ich mir kaum vorstellen, wie das funktionieren soll, weder metaphorisch noch ganz konkret, wo ich doch nicht einmal erkennen kann, wo wir uns jetzt gerade überhaupt befinden. Unter den Regen hat sich ein Gewitter gemischt, was ungewöhnlich ist, denn im Oktober ist die Gewittersaison doch eigentlich vorbei. Vielleicht bin ich vor Langeweile gestorben und habe es nicht bemerkt? Bin ich versehentlich in den Fegefeuer-Express gestiegen, dessen Einfahrt in den Zielbahnhof noch durch einen ICE behindert wird? Dass mir diese Pfeifengeschichte dort angekreidet wird, glaube ich nicht, schließlich hat am Ende doch nur meine Lunge etwas gelitten. Allerdings frage ich mich, ob es das Fegefeuer im Jenseits überhaupt braucht, wenn die Schelle für die kleinen Entgleisungen doch immer schon im Diesseits kommt. Meine Oma hatte mit ihren Behauptungen oft falsch gelegen (Hackfleisch war ihrer Logik nach vegetarisch, schließlich war das Tier ja nicht mehr zu erkennen), aber mein Verdacht erhärtet sich, dass sie mit ihren theologischen Ansichten tatsächlich recht gehabt haben könnte. Denn gerade erst neulich habe ich für eine etwas unglückliche Verfehlung teuer bezahlt.

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