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Junges Theater eröffnet „Kultur in Stormarn von A bis Z“

Der Kultursommer Stormarn beginnt mit dem Ende. Zum Auftakt der Veranstaltungsreihe „Kultur in Stormarn von A(hrensburg) bis Z(arpen)“ führt das Junge Theater Marstall auf dem Bargteheider Marktplatz das Stück „36.000 Sekunden“ vonJulia Gastel auf – es handelt vom Weltuntergang.

Text von Arne Bachmann, Fotos von Florentine Dibbern-Gerhardt

Fünfzehn verschiedene Charaktere, von der Spielsüchtigen über die Nonne zum Nerd, werden dabei beobachtet, wie sie mit dem drohenden Weltuntergang umgehen. Vor dem Zuschauer entfaltet sich ein Kaleidoskop der Menschlichkeit. Das Stück lebt insbesondere vom intensiven Schauspiel der jungen Darsteller und der markanten Musik. Die Parallelen zur aktuellen Weltlage sind offensichtlich, aber zumindest teilweise Zufall oder unglückliche Fügung. Die Theatergruppe wählte das Stück im Herbst 2019 aus, also einige Monate vor dem Ausbruch der Pandemie. Der Klimawandel war freilich schon vorher da. Doch 36.000 Sekunden ist kein Stück über Corona oder den Raubbau an der Erde, auch wenn von den Darstellern hier und dort ein Hinweis auf die real existierende Situation eingestreut ist. Dass die Welt untergehen wird, weiß in dem Theaterstück jeder. Die Ursache aber wird nicht beschrieben. Es geht vielmehr um das Verhalten der Menschen vor dem nahenden Ende, das in 36.000 Sekunden, also zehn Stunden, unwiderruflich eintreten wird. Es geht um die Angst,aber auch um das Verdrängen und Verleugnen der Gefahr, um nachvollziehbares und um absurdes Handeln.

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Die Darsteller sind zwischen 14 und 23 Jahren alt, Leiterin der Gruppe ist die Schauspielerin und Regisseurin Caroline Dibbern. Seit Jahren begleitet sie im Ahrensburger Marstall zwei junge Theatergruppen. Für die 47-Jährige ein Herzensprojekt. „Ich will nicht, dass es so kitschig klingt“, sagt sie, „aber für mich gibt es nichts Erfüllenderes und Schöneres. Die Arbeit ist ganz anders als mit Profis, sehr lebendig, mit viel Lebensfreude.“ Dass sie überhaupt noch mal auftreten würden, hatten Dibbern und die Darsteller schon fast nicht mehr geglaubt. Inzwischen gab es eine Aufführung unter freiem Himmel vor etwa 100 Verwandten und Bekannten. Dafür musste nach nach einem Jahr Proben per Videokonferenz „der innere Lautstärkeregler wieder hochgepegelt werden“, wie Dibbern sagt. Allein vor dem eigenen Computer hatten sich die Darsteller eher dem klassischen Fernsehschauspieler angepasst, viel reduzierter gespielt.

Während des ersten Lockdowns schrieben die Jugendlichen das Stück um und probten jede Woche über Zoom. Für die Leiterin der Gruppe waren die virtuellen Treffen in der wohl aufwühlendsten Phase der Pandemie eine mentale Stütze. „Die Proben haben mich durch die ganze Woche getragen“, sagt Dibbern. „Es war wie Therapie.“ Wie Gesprächstherapie. Mit den Jugendlichen beschäftigte sich Dibbern eindringlich mit der Frage: Was würdet ihr tun, wenn sehr bald die Welt unterginge? Einmal wurde aus der Rolle heraus geantwortet, einmal ganz persönlich. „Mir ist teilweise die Spucke weggeblieben, wie offen und ehrlich darüber gesprochen wurde“, sagt Dibbern. Und was würde sie machen? Resignation oder Tanz auf den Gräbern? „Ich bin ein Gefühlsmensch“, sagt sie. „Ich würde versuchen, alles zu begreifen und wahrzunehmen, ob eine Blume oder ein Wasserglas. Denn später bleibt keine Zeit mehr.“ Und sie würde alle Menschen, die ihr wichtig sind, noch mal treffen oder sprechen, „widerspiegeln, wie lieb ich sie habe“. Diese Antwort sei auch von fast allen Jugendlichen gekommen. Für die allerletzten Stunden würde Dibbern ans Meer gehen. „Auch weil das Meer dafür steht, dass Dinge kommen und gehen und alles andere größer ist als wir.“

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Nun könnte man ja meinen, dass es dem Planeten und der Natur nur guttun würde, wenn die Menschheit an ihr Ende käme. Und man könnte meinen, dass es bis dahin nur noch eine Frage der Zeit sei. Auch Caroline Dibbern hat eine unverblümte Meinung: „Wir haben es auf der Erde versaut und unser System ist teilweise unmenschlich.“ Resignation sei dennoch keine Option. „Ich sehe die jungen Menschen und sie können ja gar nichts dafür. Sie müssen die Chance haben, das Leben so zu gestalten, wie sie es möchten. Auch wenn der Rahmen, den wir ihnen vorgegeben haben, katastrophal ist.“ Deshalb seien Bewegungen wie Fridays for Future unglaublich wichtig. Die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen verbiete Pessimismus, findet Dibbern. „Deshalb“, sagt sie, „bleibt am Ende immer die Zuversicht oder die Hoffnung auf ein Wunder.“

36.000 Sekunden
Autorin: Julia Gastel, bearbeitet für das Junge Theater Marstall von den Darstellern, Spielzeit 65 Minuten.
Ort: Marktplatz Bargteheide
Datum: 14 August
Zeit: 16 Uhr


„Von A(hrensburg) bis Z(arpen)" wird im Programm Kultursommer 2021 durch die Beauftrage der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) mit Mitteln aus NEUSTART KULTUR gefördert.

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